Theologische Grundlagen des Marchtaler Plans

Der Marchtaler Plan ist der Erziehungs- und Bildungsplan für katholische Schulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Aufbauend auf theologischen und christlich-anthropologischen Grundlagen zeigt er Wege und Formen christlicher Erziehung und Bildung in der Welt von heute auf. […]

Zeit -Zeichen des gesellschaftlichen Wandels

Heute sind die Fragen nach Bildungsmöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen zu zentralen sozialen Fragen geworden. Es steigen sowohl die Erwartungen von Gesellschaft und Eltern an die Institution Schule als auch der Druck auf die Kinder, schulisch erfolgreich zu sein. […]

Für die katholischen Schulen stellen diese Entwicklungen ernsthafte Herausforderungen für ihr christliches Verständnis von Erziehung und Bildung dar. Sie müssen noch klarer als in den vergangenen Jahrzehnten formulieren, welchen Anspruch die christliche Botschaft an die Bildungsprozesse und Bildungsinhalte stellt. Die (Selbst-)Bildung der Schüler und deren Entwicklung zu eigenständigen Persönlichkeiten müssen dabei immer den Vorrang haben vor einer funktionalen Anpassung an ausschließlich ökonomische Interessen. […]

In seiner klaren Fokussierung auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler, in seiner gleichrangigen Betonung von Weltverstehen und Weltverantwortung wie auch in seiner klaren Option für eine lebensfördernde religiöse und interreligiöse Bildung ist der Marchtaler Plan ein relevanter Gegenentwurf zu den skizzierten gesellschaftlichen Entwicklungen. […]

Zeit -Zeichen des religiösen Wandels

[…] Immer weniger Menschen wird durch Erziehung und Sozialisation eine frühe Begegnung mit dem christlichen Glauben ermöglicht. […]

In einer solchen Zeit gewinnen Orte an Bedeutung, an denen der christliche Glaube im Alltag erfahren werden kann und an denen die Kinder und Jugendlichen Menschen begegnen, denen der Glaube wichtig und eine Kraftquelle für ihr Leben ist. Katholische Schulen haben deshalb heute die Aufgabe, zu neuen „Kirch-Orten“ zu werden. Hier können Kinder und Jugendliche (aber auch Lehrkräfte, Mitarbeiter und Eltern) auf überzeugende Weise erfahren, welche Weltzugänge der christliche Glaube eröffnen kann und welche ethischen und sozialen Implikationen er für die Zukunftsfragen unserer Gesellschaft bereithält.

Der Mensch in seiner unverlierbaren Würde

Alle Menschen, besonders auch Kinder und Jugendliche, wollen als einmalig und unverwechselbar gesehen und ernstgenommen werden. Die biblische Überzeugung, dass Gott jeden von uns „beim Namen“ ( Jes 43,1) gerufen hat, spricht jedem Menschen in jeder Situation eine einmalige und unverlierbare Würde zu, die weder von seinem Entwicklungsstand noch von seiner gesellschaftlichen Position abhängt. […]

Diese Würde und mit ihr verbunden die Achtung vor jedem menschlichen Leben ist eine der Kernbotschaften, die katholische Schule in jeden Bildungsprozess einbringt. Die Achtung vor der unverlierbaren Würde jedes einzelnen Menschen ist eine Haltung, die die Kinder und Jugendlichen selbst in der Schule einüben können – die sie aber auch in der Art und Weise, wie man ihnen im schulischen Alltag begegnet, erleben und erfahren. […]

Der Mensch in der Erfahrung von Freiheit und Verantwortung

[…] Diese Freiheit beinhaltet in Kindheit und Jugend vor allem auch den Wunsch nach wachsender Unabhängigkeit von den Erwachsenen. […]

Die Ermöglichung der Freiheit und die Übernahme von Verantwortung sind aus dieser biblischen Inspiration heraus auch für Bildungsprozesse an katholischen Schulen grundlegend. Beide müssen erfahren – aber auch „erlernt“ – werden.

Der Mensch als Mitgestalter der Welt

Viele Kinder und Jugendliche sind daran interessiert, die Welt aktiv und partizipativ mitzugestalten und in diesem Sinne „politisch“ zu sein, wobei ihre Beweggründe vielgestaltig sind. […]

Zum Bildungsauftrag katholischer Schulen gehört vor diesem Hintergrund, Kindern und Jugendlichen einen Zukunftshorizont offen zu halten und sie bei den „großen Fragen“ nach der Zukunft der Welt und des Menschen ernst zu nehmen und zu begleiten. Gleichzeitig erfahren Kinder und Jugendliche damit auch mehr über die Motivation, warum sich Christen in dieser Welt und für diese Welt engagieren.

Grundüberzeugungen der pädagogischen Arbeit

Kinder und Jugendliche brauchen für ihre persönliche Entwicklung und für erfolgreiches, nachhaltiges Lernen verlässliche Beziehungen. Diese entstehen aus der Bereitschaft der Mitarbeiter heraus, den Schülern authentisch und „echt“ gegenüberzutreten, sie hören und verstehen zu wollen, sie in ihren Eigenarten und Besonderheiten zu akzeptieren, ihnen aber auch ein wirkliches „Gegenüber“ zu sein, an dem sie sich reiben und mit dem sie sich auseinandersetzen können.

Marchtaler-Plan-Schulen verfolgen das Ziel, geeignete Rahmenbedingungen für solche Begegnungen und Beziehungen zu ermöglichen, beispielsweise durch kontinuierliche und verlässliche Ansprechpartner bzw. Klassenlehrer.

Respekt vor der Würde des Kindes

Der Respekt vor der Würde des Kindes ist die zentrale Grundhaltung, mit der an Marchtaler-Plan-Schulen pädagogische Prozesse gestaltet und Entscheidungen getroffen werden. […]

Für die pädagogische Arbeit bedeutet dies, dass in allen Bildungsprozessen das Selbstwertgefühl der Schüler ebenso gefördert wird wie deren kritischer Blick auf die Welt. Wertschätzung und Respekt spielen hierbei eine ebenso große Rolle wie das Bemühen, alle Kinder und Jugendlichen sowohl in ihren Anlagen und Potenzialen zu fördern als auch in ihren Schwächen zu achten.

Begegnung und Beziehung

[…] Kinder und Jugendliche brauchen für ihre persönliche Entwicklung und für erfolgreiches, nachhaltiges Lernen verlässliche Beziehungen. Diese entstehen aus der Bereitschaft der Mitarbeiter heraus, den Schülern authentisch und „echt“ gegenüberzutreten, sie hören und verstehen zu wollen, sie in ihren Eigenarten und Besonderheiten zu akzeptieren, ihnen aber auch ein wirkliches „Gegenüber“ zu sein, an dem sie sich reiben und mit dem sie sich auseinandersetzen können. […]

Halt Geben und Frei Lassen

Für Mitarbeiter an einer Marchtaler-Plan-Schule ist dieser Umgang mit Freiheit und Verantwortung konkrete schulische Realität: In vielen Struktur- und Gestaltungselementen ist ein solcher Freiheitsraum strukturell verankert. Es wird aber nicht genügen, Freiheit „auf den Stundenplan zu setzen“. Pädagogische Mitarbeiter an einer Marchtaler-Plan-Schule müssen davon überzeugt sein, dass Kinder lernen können, mit dieser Freiheit verantwortlich umzugehen. […]

Offenheit für ethische und religiöse Dimensionen der Wirklichkeit

Viele Mitarbeiter, insbesondere junge Kollegen, die ihre Tätigkeit an einer katholischen Schule aufnehmen, sind unsicher, wieviel religiöse Verwurzelung und kirchliche Bindung von ihnen erwartet wird. Grundsätzlich braucht es eine Offenheit für christliche Deutungen der Wirklichkeit und die Bereitschaft, sich auf die Suche der Kinder und Jugendlichen nach einer sinnerfüllten Lebensgestaltung einzulassen. Dies bedeutet für die Mitarbeiter, auch selbst Suchende und Fragende zu bleiben. […]

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