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hier sind eine ‚Kinder-an-die-Hand-nehm-Schule‘" eines Frei-
arbeitsexperten aus unseren Schulen (B
AUMANN
2008) zeigt,
dass in der Freien Stillarbeit das Problem erkannt ist.
Denn nicht nur „die für alle gleich gemachte Leistung vernach-
lässigt den Schüler als Individuum, als Person mit seiner Kön-
nensgrenze“ (Müller 1989, S. 51), sondern auch die für alle
gleich gemachte Arbeits- und Lernform.
3.2.2.3 W
O BLEIBEN DIE
J
UNGEN
?
In unseren koedukativen Schulen wurden bislang geschlechts-
spezifische Unterschiede bzgl. der Eignung für bestimmte
Lern- und Arbeitsformen weitgehend außer Acht gelassen: In
einem System von Freier Stillarbeit – gleich welcher Art –
mussten sich immer Jungen und Mädchen gleichermaßen zu-
rechtfinden. Erkenntnisse der Jungenpädagogik sehen diese
Negierung von geschlechtsspezifischen Unterschieden jedoch
kritisch: „Das Problem dieses Ansatzes ist, dass sich Jungen
weniger durch Einzelgespräche als durch Gruppensituationen
motivieren lassen. Die Schule nehmen sie weniger über per-
sönliche Beziehungen und Kontakte wahr, sondern sie sehen
in ihr eine Institution, die von einem Kollektiv getragen wird.
Jungen lernen und setzen sich ein, weil es Gruppennormen
verlangen und das System es will. Ob das Lernen ihrer persön-
lichen Neigung oder einem persönlichen Interesse entspricht,
ist sekundär“ (G
UGGENBÜHL
2008, S. 163). Der Autor folgert:
„Wichtig sind für Jungen auch Phasen des Frontalunterrichts.
Wenn die Lehrperson vor einer Schülerschar steht, auf sie ein-
spricht und etwas verlangt, dann präsentiert sie sich als Ober-
bandenführer. Jungen erkennen in ihr einen Repräsentanten
der Überstruktur der Klasse. Das Kollektiv wird für sie erleb-