Prälat Max Müller zum 90. Geburtstag - page 54

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und wahrnehmbar. Sie lassen sich weniger aufgrund von indi-
viduellen Gesprächen formieren oder disziplinieren, sondern
möchten das Gefühl haben, dass sie sich in einem System mit
Regeln, Ritualen und spezifischen Codes bewegen. Die Lehr-
person interessiert sie als Vertreter dieses Systems und weni-
ger als Einzelperson. Das persönliche Gespräch, das in der Pä-
dagogik eine fast magische Bedeutung erlangt hat, erleben
viele Jungen sogar als Irritation. Wieso setzt sie sich wieder an
meinen Tisch, spricht mit leiser Stimme und betroffenem Ge-
sicht? […] Wie erläutert, nehmen Mädchen Gruppensituatio-
nen mehr über den Beziehungsaspekt wahr. Da sie sich über
persönliche Kontakte in Gruppen einbringen, kommt der indi-
viduumzentrierte Unterricht ihnen entgegen“ (G
UGGENBÜHL
2008, S. 164f).
Seit dem Schuljahr 2010/2011 unterhält die Franz-von-Sales-
Realschule Obermarchtal in Ehingen eine Zweigstelle, in der
stiftungsweit erstmals reine Jungenklassen geführt werden.
Mit reinen Mädchenschulen haben wir gerade im Ordensbe-
reich vielfältige und gute Erfahrungen. Es wird eine wichtige
Aufgabe sein, gerade in dieser Jungenschule eigene Erkennt-
nisse darüber zu gewinnen, in wie weit individualisierter Un-
terricht möglich ist, bzw. was Jungen brauchen, um nicht „Bil-
dungsverlierer“ zu bleiben.
Nachdenklich macht folgender Befund: „Die schon seit einigen
Jahren zu beobachtende Überlegenheit der Mädchen im Bil-
dungserfolg geht somit möglicherweise mit der Veränderung
von Schule und Unterricht einher, die in der Folge der Veröf-
fentlichung der Ergebnisse der internationalen Schulver-
gleichsstudien eingeleitet worden war. Hier hatte sich heraus-
gestellt, dass in deutschen Schulen das eigenständige Lernen
zu wenig gefördert wird […]. Seither haben Lehrerinnen und
1...,44,45,46,47,48,49,50,51,52,53 55,56,57,58,59,60,61,62,63,64,...93
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