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marchtal, Individualisierung erinnere ihn immer an ein Kälb-
chen, das allein in seiner Futterbox vor sich hin fressen muss.
Genau davor warnen inzwischen die Unterrichtsexperten: „In-
dividualisierung […] muss – gut dosiert – mit anderen Unter-
richtsangeboten gekoppelt werden. Exzessive Individualisie-
rung würde Vereinzelung und Individualismus bewirken. Die
Förderung sozialer und interkultureller Kompetenzen hätte
dann keine ausreichende Basis“ (H
ELMKE
2013a).
(K
RAUTHAUSEN
/S
CHERER
2010, S. 4) bezeichnen falsch verstan-
dene Individualisierung als „Abschaffung des sozialen Lernens,
z. B. wenn jedes Kind nur noch für sich an anderen Inhalten
arbeitet. Das macht ein gemeinsames Argumentieren und
Kommunizieren über gemeinsam erlebte Inhalte weder sinn-
voll noch möglich“; K
LIPPERT
ist besorgt, dass „damit auch der
Anspruch auf Integration, Kooperation und gemeinsames Ler-
nen über Gebühr aufgegeben wird. Bildung zielt nicht nur auf
individuelle kognitive Potenzförderung, sondern auch und zu-
gleich auf das Erlernen von Sozialkompetenz, Solidarität, Em-
pathie, Mitmenschlichkeit, Demokratiekompetenz“ (2008,
S. 103).
Individualisierung solcher Art wäre damit ein Irrweg und mit
dem christlichen Menschenbild kaum vereinbar, das eben we-
der ein individualistisches („sein Höchstes ist seine Individuali-
tät“) noch totalitäres ist („nur die Gesellschaft hat Eigenwert;
der Einzelne ist nur dienendes Glied des gesellschaftlichen
Ganzen“), sondern ein personales, solidaristisches: „Als Indivi-
duum hat der Mensch das Recht auf die volle Entfaltung seiner
Individualität; als eines „ens sociale“ […] kann diese seine
Entfaltung nicht ohne Bezug auf die Gesellschaft oder gar im
Gegensatz zu ihr und damit auf ihre Kosten vor sich gehen“
(
V
. N
ELL
-B
REUNING
1991, S. 27).