Prälat Max Müller zum 90. Geburtstag - page 35

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2. B
ILDUNG UND
E
RZIEHUNG
WAS HEIßT
ERZIEHEN
“?
„In unserer Muttersprache assoziiert „Erziehung“ etymolo-
gisch ein Machen und Verfügen. Erziehen ist danach ein Her-
ausziehen aus der Unmündigkeit, aus Unselbständigkeit und
Vormundschaft. „Ziehen“ deutet an, dass damit eine Kraft-
anstrengung verbunden ist. Das englische „education“ wählt
das Bild des „Herausführens“ und weist damit in die Rich-
tung, dass Erziehung Hilfen anzubieten hat, damit jeder Her-
anwachsende das „Eigentliche“ selbst zu vollbringen ver-
mag. Erziehen heißt beeinflussen, prägen, formen der je jün-
geren Generation durch die je ältere auf ein bestimmtes Ziel
hin. Als verantwortbares und zu reflektierendes Tun bedarf
Erziehung ständig der Überprüfung. Diese hat nach sachli-
chen und personalen Aspekten zu erfolgen. Wir schulden den
Heranwachsenden das Kerygma (= die zu verkündende
Heilsbotschaft des Glaubens) und Paideia (= Erziehung als
Inbegriff aller interpersonalen Akte mit dem Ziel der Men-
schwerdung des jungen Menschen). In der Natur des Heran-
wachsenden ist vorgegeben: Die Entfaltung des Menschen-
tums, die Ausprägung als Mann und Frau, die Herausbildung
der Individualität. Alle Erziehung hat dann neben der Indivi-
dualität der Sozialität des Heranwachsenden Rechnung zu
tragen. Die Sozialisation, die Eingliederung in das Leben der
Gesellschaft, verlangt Formung und Prägung. Das Leben in
der Gemeinschaft lässt nicht allein ,freie Entfaltung’ zu, son-
dern erfordert weitgehend ,auch Beschneidung, Beherr-
schung und Umformung der natürlichen und sozialen Trie-
be’.“
(M
ÜLLER
1989, S. 39)
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