Schüler des Studienkollegs Obermarchtal beschäftigen sich mit Judentum in Deutschland

Interkulturelle Tage haben am Studienkolleg Obermarchtal eine Tradition, die bis in die Anfänge der Schule zurückreichen. In diesem Jahr beschäftigte sich die Schulgemeinschaft mit der gegenwärtigen Situation von Jüdinnen und Juden in Deutschland. „Warten Sie doch bis nach der Eröffnung und kommen Sie uns dann alle zusammen besuchen.“ Mit diesen Worten hatte Rabbiner Shneur Trebnik diese Idee des Studienkollegs im vergangenen Jahr spontan aufgenommen. Aus dieser Einladung entstand ein vielfältiges zweitägiges Programm.

Mit dem Bus ging es am Dienstag Vormittag zunächst für die 65 Schüler zur Gedenkstätte Oberer Kuhberg in Ulm. Anschaulich erklärte Annette Lein, pädagogische Mitarbeiterin der Gedenkstätte, in welcher Weise v.a. politisch Andersdenkende schon kurz nach der Machtübernahme des nationalsozialistischen Regimes hier willkürlicher Tyrannisierung und Rechtlosigkeit ausgesetzt waren. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Immer wieder kam das Gespräch auch am folgenden Tag zu diesem Satz zurück.

Für die zweite Schülergruppe hieß es derweil, die Ulmer Innenstadt einmal mit neuen Augen sehen. Dr. Nikola Wenge, die Leiterin des Dokumentationszentrums erklärte die Bedeutung des Weinhofs, der nicht nur Ort des neuen Gemeindezentrums, sondern auch der 1938 zerstörten Vorgängersynagoge und einer noch älteren Betstube war. Darüber hinaus war dort der Sammlungsplatz vor den Deportationen der Juden während des Krieges. In einem weiten Bogen rund um das Münster ging es dann vorbei an einer Reihe von Gedenksteinen und Spuren. Dass für die Gründungsurkunde des Ulmer Münsters 1377 ein jüdischer Grabstein geschändet und einfach wiederverwendet wurde, wurde dabei ebenso erwähnt wie das zeitweise friedliche Zusammenleben von jüdischen und christlichen Ulmern und die Bedeutung von Persönlichkeiten wie Anna Essinger und Albert Einstein. So gerüstet eröffnete dann das Gespräch mit Rabbiner Trebnik einen wieder neuen Aspekt. Mit großer Ruhe erklärte er den Schülern ganz grundlegende Fragen zum religiösen Leben im Judentum, wie zum Beispiel die Einrichtung einer Synagoge und den Ablauf des Gebets.Besonders interessiert waren die Schülerinnen und Schüler aber auch an den unterschiedlichen Rollen von Mann und Frau im orthodoxen Judentum und am jüdischen Religionsunterricht.

Weiter ging es am Mittwoch im Studienkolleg. Das hebräische Wort LIKRAT bedeutet „Aufeinander-zu“. Im Rahmen des gleichnamigen Projekts der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg besuchen jüdische Jugendliche Schulen und ermöglichen so einen unbefangenen Zugang zu jüdischem Leben. Zwei Jugendliche hatten sich von Mannheim auf den Weg nach Obermarchtal gemacht um auf Fragen zu antworten wie z.B.: „Also mein Lieblingsfest als Kind war Weihnachten, was war denn deines und wie habt ihr gefeiert?“  „Warum würdest Du nicht mit einer Kippa durch Mannheim laufen?“ Erst im Mai 2013 wurde LIKRAT für diese Arbeit als besondere „Idee für die Bildungsrepublik“ ausgezeichnet. Parallel dazu beschäftigte sich ein Workshop mit den verschiedenen, und zum Teil sehr subtilen Formen von antisemitischen Klischees, Stereotypen und Argumentationen, die es neuen Studien zufolge bei bis zu 20% der deutschen Bevölkerung immer noch gibt.

Mit einem gemeinsamen Schulpicknick und kreativen Texten gingen bei schönstem Sonnenschein zwei Schultage der anderen Art zu Ende. In einem dieser Text bündeln sich die Gedanken von vielen. Da heißt es: „Wir wollen etwas ändern.“

Britta Frede-Wenger

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